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Brigitte Werneburg: Drei Zelte sind mehr Stadt. taz Berlin, Mai 1997 <<

Drei Zelte sind mehr Stadt Kunst in Berlin jetzt: Matt Mullican, Stadt im Regal, Thadeus Strode ...In diesem Design sollte man die Parkhäuser dieser Stadt halten. Jedenfalls außen. Innen dürften sie dann im Furnier-Look heimelige Atmosphäre verbreiten. Dieser Vorschlag stammt von Friederike Feldmann, einer der sechzehn Künstlerinnen, die das Parkhaus in der Behrenstraße zum Kunst-Projekt „Stadt im Regal“ umfunktionierten. Beispielhaft bemalte die Künstlerin ein Geviert im 14. Parkdeck im hölzernen Rustikalstil. Katharina Schmidt und Ursula Döbereiner tapezierten die Auf- und Abfahrten mit diversen Reifenspuren. Enne Haehnle stellte ein Rudel Hirsche in die Dämmerung des Betonbaus, dem Heike Klussmann eine verkehrstechnisch weißfluoreszierende Querteilung über zwei Ebenen verpaßte. Den beeindruckenden Steg aus Bauholz verdankt sie den Arbeitern von der Baustelle nebenan. Zwischen zwei Betonpfeilern stapelte Daniela von Waberer formlose Latexsäcke: Dem Halbdunkel der Parkhausstadt entschlüpfen so hübsche rosarote Maden. Antje Dorn und Valeska Peschke könnten sich mit ihrem Projekt direkt auf Matt Mullican berufen, der über seine Leuchtkasten-Stadt meinte: „Drei Zelte sind mehr Stadt als das, was ich mache." Dorn/Peschke stellten noch rund zehn Zelte mehr auf. wobei manche wie Mausefallen aussehen, während andere als Umkleidekabinen durchgehen. Sie vermitteln in ihren absurden Formen doch eine gewisse Wohnlichkeit. Die im Parkhaus gestapelte Stadt, deren Zootiere Christina Zück in Form mittelgroßer Farbfotos ausstellt, wirkt in allen Projekten urban, tadelfrei, gleichzeitig roh und offen genug, um auch das Herz städtischer Finsternis offenzulegen. Christine Schmutzlers „Nachfahrt", Markus Strieders Auto-Installation zum Geschlechtsverkehr auf dem Dach des Parkhauses, Kerstin Drechsels Aquarelle nach Lesbenpornos, Birgit Schlieps „Eckensteher" und Michaela Schweigers Work in Progress, das zu neuartigen Stadtplänen führt, thematisieren diese Seite. Tina Born nimmt in ihrer neugestalteten Pförtnerloge den Wunsch nach Sicherheit, der aus der Nacht der Stadt herrührt, auf die Schippe. Nirgendwo blinken die Kontrollämpchen bunter und sind die Überwachungsmonitore kleiner als in der Attrappe ihrer SIM-Control. Bis 18.5., Mo.-Fr. 16-20, Sa., So. 12-20 Uhr, Behrenstraße 17-20. Brigitte Werneburg, TAZ 10/11.05.1997