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Wüstenstadt
Wie sehen Wüstenstädte aus? Der Berliner Volksmund scheint darauf eine Antwort gehabt zu haben. Schon ein paar Jahre nach ihrer Entstehung 1925 erhielt die, von dem Architekten Erwin Anton Gutkind in Staaken gebaute Siedlung am westlichen Stadtrand von Berlin den Namen »Neu-Jerusalem«. Mit ihren weißen Flachdachkuben ähnelte sie den Häusern der 1927 errichteten Stuttgarter Weißenhofsiedlung, die Kritiker u. a. als »Vorort von Jerusalem« verspotteten.

Auch in den letzen 20 Jahren nach Mauerfall wurde immer wieder von der Wüste in der Stadt gesprochen. Was den einen vielfältig nutzbare Freiflächen bot, war den anderen reines Bauerwartungsland. Jetzt breitet sich eine neue Wüste aus, nachzulesen bei Niklas Maak in seinem Faz-Artikel mit der Frage »Was passiert mit unseren Städten?«, wenn staatliche Liegenschaften meistbietend verkauft werden und zu viele private Luxusanlagen gebaut werden. Auch die Siedlung »Neu-Jerusalem« in der Nähe des ehemaligen Staakener Luftschiffhafens und der Döberitzer Heide wurde vom Liegenschaftsfond, dem sie nach der Wende zugefallen war, an einen Investor verkauft.

Die Berliner Künstlerin Birgit Schlieps arbeitet mit dem urbanen Raum als Phantom, Mythos und Konstruktion mit verschiedenen Medien wie Fotografie, Video, Text, Zeichnung und raumbezogenen situativen Installationen. Die Künstlerin zeigt in der Galerie Zwinger ein Environment als fernes Echo der Gegend zwischen der Berliner Ringautobahn und der ehemaligen Westberliner Stadtgrenze. Was zu sehen ist, ist der Akt des Sehens selbst und dessen gleichzeitig immer wieder stattfindenden Unter-brechungen. Der Filmkurier schrieb zu den Dreharbeiten des Stummfilmklassikers Metropolis, die zum Teil in einer der übrig gebliebenen Luftschiffhallen in Staaken stattfanden: »(...) die Kombination von Bau und Natur, einfach durch das Öffnen der großen Hallentore und Photographieren gegen den freien Horizont, ist außerordentlich angenehm. In verschiedenen Filmen hat man von diesem Mittel schon Gebrauch gemacht und die Täuschung war vollkommen.« (Film-Kurier, Nr. 118, 20.5.1925)

Wüstenstadt (Desert City)
What do desert cities look like? Berliners seem to have the answer to that. Just a few years after its completion in 1925, a housing development located in Berlin-Staaken that was designed by architect Erwin Anton Gutkind was given the name Neu- Jerusalem (New Jerusalem). With its white flat roof cubes, the buildings were similar to the buildings from Stuttgart’s Weißenhofsiedlung, which critics mocked as "suburb of Jerusalem".

In the last twenty years after the fall of the Berlin Wall, talk has often turned to the urban desert. What some considered free spaces for multiple use was for others merely land awaiting construction. Now a new desert seems to be spreading, as Niklas Maak for example recently described in a FAZ article asking, "What’s happening to our cities?", when state-owned property is sold to the highest bidder and converted in private luxury developments. The Neu-Jerusalsem development near the former Staaken airship field and Döberitzer Heide has also been sold to an investor by Berlin’s Liegenschaftsfond, which took possession of the settlement after the fall of the Berlin Wall.

The Berlin artist Birgit Schlieps focuses on urban space as a phantom, a myth and a construction with various media such as photography, video, text, drawings, and situational installations. In this exhibition at Galerie Zwinger, she presents an environment as a distant echo of this area between the Berlin Ringautobahn and what was formerly the West Berlin city boundary. What is on view is the act of seeing itself and its simultaneous disruption. The paper Filmkurier wrote the following about the shooting of the silent film classic Metropolis, which took place in part at one of the Staaken zeppelin hangars, "The combination of construction and nature, simply by way of opening the large hangar doors and photograph against the free horizon, is extraordinarily pleasant. In various films, this has been used, and the deception is complete." (Film-Kurier 118, May 20, 1925)