Bibliographie

Svenja Moor: Stadt im Regal. Ein Berliner Ausstellungsprojekt. Kondensat 2005 <<

STADT IM REGAL Ein Berliner Ausstellungsprojekt Im Mai 1997 wandelten sie ein Parkhaus in der Berliner Behrenstrasse zur Ausstellungsfläche um. Bei Aufrechterhaltung des Fahrzeugbetriebs präsentierte die Ausstellung PARKHAUS - STADT IM REGAL Skulpturen, Installationen, Gemälde und Zeichnungen auf den Stellflächen und an den Wänden des Parkhauses und profitierte dabei von der seltsamen Ausstrahlung eines Gebäudes, das ausschließlich auf die Bedürfnisse des Autoverkehrs ausgerichtet ist. Die Interpretation des Parkhauses als Regal war ein Akt der Aneignung, in dem diese Spezies öffentlicher Architektur auf die Dimensionen des häuslichen Wohnens geschrumpft wurde. Aus Parkdecks wurden Fächer, die Platz für neue Gegenstände boten. Auch der zur Ausstellung erschienene, aufwendig gestaltete Katalog entsprach dem offensichtlichen Wunsch nach Verkleinerung: Im Layout einem Falk-Plan nachempfunden und wie jener gegliedert in einen abbildenden Kartenteil und einen gelbseitigen Anhang, brachte er die gesamte Austellung auf ein handliches Hosentaschenformat.

Was von der Ausstellung übrig blieb, war der Wunsch weiterzumachen, und so entstand die Gruppe von Künstlerinnen und Künstlern, die inzwischen auf fünf realisierte Ausstellungen im In- und Ausland zurückblicken kann - zwei davon in Berlin, die anderen in Mexico City, Los Angeles und Wien. STADT IM REGAL wurde das Label der momentan 12 Köpfe starken Gruppe, bestehend aus Tina Born, Ursula Döbereiner, Antje Dorn, Kerstin Drechsel, Friederike Feldmann, Heike Klussmann, Valeska Peschke, Birgit Schlieps, Katharina Schmidt, Michaela Schweiger, Markus Strieder und Daniela von Waberer. Das Konzept: Bei gleichzeitiger Arbeit an der individuellen Künstlerkarriere entwickeln und realisieren die Beteiligten gemeinsame Ausstellungsprojekte, die mit erfreulicher Kontinuität und analytischer Schärfe die Themen Stadtumbau, Architektur und Wohnen umkreisen.

Die Herausforderung bleibt bei jedem Ausstellungsprojekt die gleiche: Die Vielfalt der den unterschiedlichen Gattungen zugehörigen Arbeiten zusammenzuhalten, ohne sich inhaltlichen Bestimmungen oder formalen Richtlinien zu unterwerfen. Meistens liefert der Ort der Ausstellung, die jeweilige Stadt oder die konkrete Architektur eines Gebäudes, ein Konzept, das es ermöglicht, Arbeiten wie zum Beispiel die Silikonbilder von Friederike Feldmann oder die großen, computergenerierten Zeichnungen von Ursula Döbereiner in einen Zusammenhang zu stellen.

So verstand sich die 1999 in Mexico City (Galerie La Panaderia) stattfindende Ausstellung mehr als direkte Reaktion auf die Stadt denn als fest umrissenes Ausstellunsprojekt. más y más - STADT IN DEN BEINEN war das Resultat einer schrittweisen Annäherung an eine Stadt, deren Markenzeichen stetiges und unkontrolliertes Wachstum ist. Und so wuchs auch die Ausstellung im Laufe der Zeit zu einer ebenfalls chaotischen Ansammlung teils vor Ort gefundener, teils mitgebrachter Objekte, Filme und Zeichnungen.

Ob es um die Struktur einer Stadt geht wie in Mexico City oder um Aspekte des Wohnens wie in dem Berliner Projekt BUNGALOW oder der bei offspace Wien gezeigten Ausstellung MAHAGONI, beide von 2002: Es ist die Stärke von STADT IM REGAL, die vergleichsweise abstrakten Inhalte auf Formeln zu bringen, die zwischen den unterschiedlichen künstlerischen Lösungen und dem gemeinsam erarbeiteten, theoretischen Konzept vermitteln. In PARKHAUS war es der Stapel, in dem Daniela von Waberer, STADT IM REGAL-Mitglied erster Stunde, das der Parkhausarchitektur zugrundeliegende Ordnungsprinzip erkannte. Ihr Stapel aus latexumhüllten Wülsten, einge-quetscht zwischen zwei Pfeilern, trug weder sich selbst noch wäre er imstande gewesen, etwas anderem Halt zu geben - im Gegensatz zu dem in sich stabilen Parkhaus, auf das er verwies. Stapel, so konnte man folgern, sind keine stabilen Gebilde per se. Und auch, dass sich nicht alles stapeln lässt. "Reich sein heißt, etwas zum Stapeln zu haben. Schulden lassen sich nicht stapeln, es gibt sie nur in Berg- und Haufenformen." notierte Daniela von Waberer im Katalog zur PARKHAUS-Ausstellung. Man möchte dem zustimmen, insbesondere dem darauf folgenden Ratschlag für professionelle Stapler: "Die Kunst der Architektur besteht darin, Materialstapel mit diversen Klebemitteln dauerhaft zu fixieren. Die Geschichte des Turmbaus zu Babel gibt den Staplern Hinweise, daß auch geklebte Stapel einmal ihre Maximalhöhe erreichen." Die nächste Ausstellung von STADT IM REGAL findet im Kurort Baden-Baden statt. Es wird ums Altern gehen und damit wieder um ein ganz aktuelles Thema.

STADT IM REGAL, scarface, 15. Juni bis 20. Juli 2003, Baden-Baden, Gesellschaft der Freunde Junger Kunst e.V. Einzelausstellung von Friederike Feldmann, La Chambre de la Reine, 5. April bis 24. Mai 2003, Berlin, Galerie Barbara Weiss