»Das Lagerfeuer als Bild und als Ritual spielte in der Sowjetunion bei Pionierlagern und Arbeitseinsätzen in weiter Ent- fernung von einem gewohnten Zuhause eine wichtige Rolle. Das Lagerfeuer diente als Gemeinschaft stiftendes Ritual u. a. in der Rekapitulation gemeinsamer Erlebnisse und Ergebnisse kollektiven Arbeitens. Fast die gesamte Fassade des Eingangsbereichs des Moskauer Pionierpalastes besteht beispielsweise aus einem durchgehenden Bildmosaik mit einem zentral platzierten Lagerfeuer. Der pavillionartige Pionierpalast wurde in der Chruschtschow-Ära von 1959 bis 1962 von einem Moskauer Architekturkollektiv (Viktor S. Egerjev, Wladimir S. Kubasow, Felix A. Nowikow, Boris V. Palui, Igor A. Pokrowski, Michail Khaschakian, Juri Ionow) gebaut. Über das Bild des Lagerfeuers gibt Ina Soboleva, die Tochter des Chefarchitekten von Selenograd Wladimir S. Kubasow, der auch am Bau des Moskauer Pionierpalastes beteiligt war, Auskunft: »Die Pioniere am Lagerfeuer, am Kasteur, das ist eine typische Ikonografie: Zusammensein, sich ausruhen, eine Pfeife rauchen, Lieder singen. Sich abends zusammensetzen: Das war für die Pioniere Tradition in der ganzen Sowjetunion. Der Leninkopf auf der rechten Seite des Mosaiks erinnert die Pioniere an die Ideen, die mit ihm verbunden sind. Auf der linken Seite, die Pioniere mit den Trompeten: Das ist der Aufruf zum Aufstehen, der Morgenappell zum Arbeiten.« Lagerfeuer, 2006, Ausschnitt Interview mit Ina Sobolewa, in: Birgit Schlieps:Aktau, Bildphänomene einer Plattenbaustadt in der kasachischen Steppe, Hamburg: Materialverlag HFBK 2020, Fn 3, S.109.
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